Was ist die Balling-Methode?
Bei der Ballingmethode handelt es sich um eine Methode Calcium-, Hydrogencarbonat- und Magnesiumionen dem Meerwasser zuzusetzen. Diese 3 Mengenelemente werden insbesondere in Steinkorallenaquarien (SPS>LPS) zum Skelettwachstum der Korallen benötigt und daher in großer Menge verbraucht. Die Haltung anspruchsvollen SPS Korallen wurde im Zuge der Beschreibung der Balling-Methode durch Hans-Werner-Balling sowie die Erfindung von Kalkreaktoren als alternativer Methode in den frühen 90er Jahren überhaupt erst möglich. Generell muss man wissen, dass aus der „klassischen“ Balling-Methode über die Jahre mehrere Spielarten erwachsen sind, deren wichtigste Vertreter hier kurz als „verbrauchsorientierte Ballingmethode“, „Balling Light“ und „Balling Plus“ mit ihren Vor- und Nachteilen erklärt werden sollen. Zudem soll dieser Blog ganz konkret das Vorgehen der Riffversorgung im Rahmen der Ballingmethode beschreiben und Vor- und Nachteile ggü. anderen Methoden der Kalksubstitution erläutern. Die chemischen Zusammenhänge werden so einfach wie möglich erklärt, aber auch so, dass sie jeder zu Hause selber nachrechnen und nachvollziehen kann.
Was brauche ich für die Balling-Methode und wie ist das Grundprinzip?
Die klassische Balling-Methode besteht grundsätzlich aus 3 chemischen Stammlösungen, welche dem Meerwasser täglich zugesetzt werden:
- Teil A: Calciumchlorid-2-hydrat
- Teil B: Natriumhydrogencarbonat
- Teil C: Natriumchloridfreies Meersalz
Die Grundlage der Ballingmethode ist folgende Reaktionsgleichung:
CaCl2 + 2 NaHCO3 -> Ca2+ + 2HCO3- + 2 Na+ + 2Cl- -> Ca(CO3) + H2O + CO2 + 2 Na+ + 2 Cl-
In wässriger Lösung gehen Calciumchlorid und Natriumhydrogencarbonat in Ionenform in Lösung und stehen in einem Gleichgewicht mit Calciumcarbonat (Kalk), gelöstem Kochsalz (Na+ und Cl-), Wasser und Kohlendioxid. CO2 wird von den Korallen und Algen zur Photosynthese verwendet. Das entstehende Wasser (H2O) schadet in einem Aquarium ebenfalls nicht. Das eigentlich Geniale an den verwendeten Ausgangssalzen ist aber, dass als weiteres Nebenprodukt Kochsalz entsteht, welches sowieso den wesentlichen Massenanteil am Meersalz ausmacht. Insgesamt führt insbesondere das entstehende NaCl (zu 70%) aber zu einem leichten, langsamen Dichteanstieg im Meerwasser. Das CaHCO3 wird insgesamt nur in dem Maße zugeführt, wie die Korallen es in ihr Steinskelett einbauen.
Das NaCl-freie Meersalz dient zum Ausgleich der Ionenbalance. Es enthält kein NaCl und wird in dem Maße dosiert, dass eine Ionenbalance aus anderen Ionen (z.B. Magnesium, Kalium, Fluorid, Bromid, Iodid, etc) und NaCl hergestellt wird, wie sie in natürlichem Meersalz vorkommt. Würde man nur CaCl und NaHCO3 dosieren, würde langsam aber sicher der Anteil an NaCl im Becken ggü. sämtlichen anderen im Meerwasser vorkommenden Ionen zunehmen. Das NaCl-freie Meersalz trägt zu 30% des Dichtenanstiegs durch die Ballingmethode bei.
Im Falle von „verbrauchsorientierter Ballingmethode“ und „Balling Light“ wird das NaCl-freie Meersalz, dessen wichtigste Aufgabe die Supplementation des Beckens mit Magnesiumionen ist, durch Magnesiumchlorid oder -sulfat ersetzt. Die Ergänzung des Beckens mit Spurenelementen (die eben auch im NaCl-freien Meersalz vorkommen), muss man dann aber zusätzlich durchführen oder darauf verzichten. Insgesamt sind solche Methoden dann auch mehr von Wasserwechseln abhängig, um die Ionenbalance im Meerwasser aufrecht zu erhalten. Bei Durchführung von regelmäßigen Wasserwechseln (ca 5-10% pro Woche), bei denen der Dichteanstieg berücksichtigt wird, muss man sich um die Ionenbalance aber bei egal welcher Ballingmethode keine Gedanken machen.
Was sind die Vor- und Nachteile der Balling-Methode?
Gegenüber den früher weiter verbreiteten Kalkreaktoren und organischen Calciumlösungen (z.B. Tropic Marin Carbocalcium) als Alternativmethoden zur Kalksubsitution von Riffaquarien bieten die Balling-Methode folgende Vorteile:
- keine technische Ausstattung benötigt
- keine Ionenverschiebung/chemische Missverhältnisse bei korrekter Anwendung
- gleichzeitige individuelle Dosierung von Spurenelementen in den Lösungen möglich („Balling Plus“)
- individuelle Einstellung von Calciumkonzentration, KH und Magnesiumkonzentration möglich („verbrauchsorientierte Ballingmethode“)
- günstig
Folgende Nachteile hat die Balling-Methode
- für sehr große Becken (>2000 Liter) werden sehr große Mengen an Stammlösungen benötigt, da die Löslichkeit der Ballingsalze nur gewisse Höchstkonzentrationen in Osmosewasser zulässt
- langsamer Dichteanstieg durch die zusätzlich zugeführten Ionen – dieser muss beim regelmäßigen Wasserwechsel mit berücksichtigt werden
- ganz ohne Wasserwechsel kommt die Methode daher meist nicht aus (ausser wenn in kleineren Becken der Salzaustrag durch Abschäumung und andere Verluste gleich dem Dichteanstieg durch die Ballingmethode ist)
- Die Zugabe von CaCl- und NaHCO3-Lösung muss im Abstand von ca. 1-5 Minuten erfolgen, um Ausfällungen zu vermeiden
- zur Konstanthaltung der Ca,- KH-, und Magnesiumkonzentrationen ist eine mind. tägliche Zugabe der Ballinglösungen notwendig, diese wird durch eine Dosieranlage erleichtert (ist aber kein Muss)
Ingesamt liest sich die Liste der Nachteile zwar lang, dies sind aber nur Kleinigkeiten ggü. den großen Vorteilen der Ballingmethode (günstig, einfach, individualisierbar), zumindest in kleinen und mittelgroßen Becken.
Klassische Ballingmethode vs. „verbrauchsorientiert“, „Light“, „Plus“ & Co
Klassische Ballingmethode:
Alle 3 Teile werden zu gleichen Mengen dosiert, nachdem die idealen Konzentrationen von Ca, NaHCO3 und Mg im Meerwasser eingestellt wurden. Wenn das für die Wasserwechsel verwendete Meersalz diese Konzentrationen auch besitzt, sind keine Veränderungen der Konzentrationen der Ballingsalze zu erwarten, da Korallen diese stöchiometrisch nach der Reaktionsgleichung verbrauchen.
Balling verbrauchsorientiert:
Individuelle Mengendosierung von Teil A, B und C. Notwendig bei nicht idealen Meersalzmischungen.
Balling Light:
Methode von Fauna Marin mit speziellen Salzmischungen. Keine Verwendung von NaCl-freiem Salz, regelmäßige Wasserwechsel notwendig.
Balling Plus:
Balling klassik + Zugabe von Spurenelementen über die Ballinglösungen. Somit vollständige Supplementationsmethode zur vollwertigen Elementdosierung von Riffaquarien. Die Zugabe der Spuris erfolgt in Teil A und/oder B je nach Angabe des Herstellers (z.B. A- und K+ Elements von Tropic Marin) und gewünschter Konzentration. Vorteil: kontinuierlicher Spuriersatz, der verbrauchsorientiert an die Massenelemente Ca und NaHCO3 gekoppelt ist.
Wie dosiere ich die Balling-Salze in der klassischen Ballingmethode?
Die klassische Ballingmethode ist m.E. die Methode der Wahl, kann individualisiert werden durch Zugabe von Spuris („Balling plus“) und führt bei korrekter Anwendung und Verwendung von gutem, möglichst natürlichem Meersalz nicht zu einer Verschiebung der Konzentrationen von Ca und KH. Die „verbrachsorientierte Ballingmethode“ ist dann nicht notwendig. Man benötigt keinen Online-Rechner, Aqua Calculator oder andere Tools sondern geht einfach vor wie weiter unten erläutert. Um den Rahmen hier nicht zu sprengen, werden daher nur „Balling klassik“ und „Balling plus“ im Detail erläutert. Guides für „Balling Light“ gibt es auf der Fauna Marin Website.
Klassische Balling-Dosierung – Menge pro 1 l Umkehrosmose-Wasser:
- Calciumchlorid-2-hydrat (Teil A): 73,5 g
- Natriumhydrogencarbonat (Teil B): 84 g
- Natriumchloridfreies Meersalz (Teil C): 25 g
Daraus ergeben sich folgende Konzentrationen der Stammlösungen:
- Calciumchlorid-2-hydrat (Teil A): 20.000 mg/l (ppm) Ca
- Natriumhydrogencarbonat (Teil B): 2800° dKH/l
- Natriumchloridfreies Meersalz (Teil C): 3350 mg/l Mg; 980 mg/l K
Diese Mengen ergeben sich aus dem stöchiometrischen Verbrauch der Elemente nach der obigen Reaktionsgleichung und der maximalen Löslichkeiten von NaHCO3 und NaCl-freiem Meersalz, welche bei 90g/l bzw. 25 g/l liegen.
Max. Löslichkeiten:
- CaCl*2H2O: 800 g/l
- NaHCO3: 90 g/l
- NaCl freies Salz: 25 g/l
Wie kommt HWB auf 25g NaCl-freies Meersalz?
- in der Reaktion entstehen pro 1/2 mol CaCl (=73,5g) 1 Mol NaCl (=58,4 g/mol)
- 70% des Dichteanstiegs macht dieses NaCl aus, etwa 30% entfallen auf das NaCl-freie Meersalz: 58,4/70*30 = 25 g
Welche Konzentrationen sind in einem Steinkorallen-Aquarium empfohlen?
- Calciumchlorid-2-hydrat (Teil A) erhöht Calcium: 400 – 450 mg/l (ppm) Ca (z.B. 420 mg/l)
- Natriumhydrogencarbonat (Teil B) erhöht KH: 6 – 9° dKH (z.B. 7 °dH)
- Natriumchloridfreies Meersalz (Teil C) erhöht Magnesium und Kalium: 1250-1350 mg/l Mg; ~400 mg/l K+
Da immer nach der obigen Reaktionsgleichung stöchiometrisch verbraucht wird, die NaHCO3- und NaCl-freie-Meersalzlösungen aber schon an der Sättigungsgrenze sind, kann man zu Reduktion der Ansetzhäufigkeit die CaCl-Lösung auch doppelt oder 4-fach konzentriert ansetzen und entsprechend nur die Hälfte oder 1/4 des Volumens der NaHCO3- bzw. der NaCl-freien-Meersalzlösung dosieren zu lassen. Viel gewinnt man aber nicht, da man sowieso NaHCO3- und Meersalz-Lösung ansetzen muss. Somit machen auch verbrauchsorientierte Ballingdosierungen (z.B. mehr Teil A als Teil B) wenig Sinn, sie führen nur leichter zu einer Ionenverschiebung, da man nicht immer nach der Balling-Gleichung stöchiometrisch zudosiert. CAVE: Sie werden notwendig, wenn man ein Meersalz zum Wasserwechsel verwendet, dass nicht die gewünschten Zielkonzentrationen der Elemente hat. Dann bringt man mit jedem Wasserwechsel die eigentlich gewünschten Konzentrationen aus dem Gleichgewicht.
Dosierung
Vorgehen beim Start:
Einstellen der idealen Werte (höhere Werte abfallen lassen, niedrigere durch entsprechende Zugabe von Salzen erhöhen):
- Dichte 1,0233 oder 34,8 Promille
- Ca 420 mg/l
- KH 7° dH
- Mg 1325 mg/dl
(das verwendete Meersalz für die Wasserwechsel sollte bei der entsprechenden Dichte möglichst genau diese gewünschten Werte ergeben, da sonst die Balling-Methode gestört wird! Ideales Meersalz hierzu ist Tropic Marin Pro Reef, es enthält zudem Spuris in optimalen Dosierungen und keine Verunreingungen mit Schwermetallen o.ä. Dies wurde von mir via ICP-OES Analyse überprüft.)
Dann Start der Stammlösungen, z.B. nach meiner Empfehlung:
- 20 ml / 100 l Aquarienvolumen (oder Berechnung der notwendigen Ca-Menge (s.u.) mittels Calcium-Bestimmung nach 3-5 Tagen)
- Nachmessen der KH am Folgetag und nachjustieren
- Nachmessen von KH/Ca/Mg nach 3 Tagen, wenn KH konstant
- so wird die Dosierung für ein konstantes Äquilibrium ermittelt, stets auch nachkontrollieren bei Besatzänderungen sowie regelmäßig z.B. jeden Monat Messung von Ca/Mg (grundsätzlich reichen regelmäßige KH-Kontrollen).
Ein bisschen Chemie & Mathe – Balling verstehen…
Um ohne Ballingrechner klarzukommen, kann man bei regelmäßigen Messungen von Ca, Mg und KH einfach nach Gefühl die Dosierung der Stammlösungen um einige ml verändern und einen Tag später nachmessen, ob man sich in die richtige Richtung bewegt. Einfacher wird es aber mit etwas chemischem Verständnis. Dann ersetzt man ad hoc einfach die Fehlende Menge des Elements bei bestehenden Defiziten und stellt die dauerhafte Dosierung nur etwas nach oben. Max. sollte man Ca um ca 20 mg/l, Magnesium um 100 mg/l und KH um 2° dH pro Tag anheben. Bei zu hohen Konzentrationen einfach Dosierung pausieren und den Wert abfallen lassen. Um etwas Balling rechnen zu können, muss man nur folgende Formeln parat haben:
Gleichung 1:
- M (Molmasse) = m (Masse) / n (Mole)
Gleichung 2 – Dreisatz:
- 56 g = 100%
- x g = 30 %
- -> x = 30 x 56 g / 100 = 16,8 g
Gleichung 3 – Balling-Reaktionsgleichung:
- CaCl2 + 2 NaHCO3 -> Ca2+ + 2HCO3- + 2 Na+ + 2Cl- -> Ca(CO3) + H2O + CO2 + 2 Na+ + 2 Cl-
Molmassen der Ballinglösungen:
- Teil A: CaCl*2H2O: 147 g/mol
- Teil B: NaHCO3: 84 g/mol
Molmassen der Zielsubstanzen:
- Ca: 40,1 g/mol
- CaCl: 111 g/mol
- NaHCO3: 84 g/mol
- NaCl: 58,4 g/mol
Ausgleich von Defiziten
z.B. in einem 165 l Becken nach den Gleichungen 1 und 2:
Anheben von Ca um 10 mg/l in 165l: 1,65 g Ca benötigt -> 1,65/40,1*147,0 = 6,05 g CaCl*2H2O -> 6,05*1000/73,5 = 82 ml von Lösung A
Anheben von KH um 1 ° dH in 165l: (Angabe von TM, s.o.) 2800 °dH/l / 165l = 17 ° dH -> 1000/17 = 59 ml von Lösung B
Der Verbrauch ist also in ml relativ hoch. Da Ionenlösungen ewig haltbar sind, macht es, wenn im Unterschrank wenig Platz ist, also Sinn, gleich größere Mengen in Kanistern im Keller anzusetzen, z.B. 10l:
- CaCl*2H2O: 735 g
- NaHCO3: 840 g
- NaCl-freies Salz: 250 g
Muss man bei der Zudosierung von Lösung A oder Lösung B auch Lösung C zudosieren? Und wenn, wieviele ml?
grundsätzlich nein, ausser man will auch gleichzeitig (stöchiometrisch) Mg mit anheben und den Spuriverbrauch ausgleichen
Nach Gleichungen 1,2 und 3 ergibt sich dann:
Zugabe von 59 ml KH-Lösung (=1000/59=4,96g NaHCO3 -> 0,059 mol NaHCO3 = 0,059 mol NaCl *58,5 g/mol = 3,45 g NaCl = 70% des Dichteanstiegs -> 3,45*30/70=1,4785g durch Lösung C -> 1,4785*1000/25=59 ml.
-> q.e.d.
d.h. man müsste immer die gleiche Menge an Lösung C zusetzen, die man von Lösung A oder B zugegeben hat!
(wenn man nach obiger Dosieranleitung die Ballingsalze angesetzt hat)
Wie begegne ich dem Dichteanstieg bei der Ballingmethode?Den Dichteanstieg durch die NaCl-Zudosierung der Ballingmethode (NaCl entsteht neben CaHCO3 und CO2) muss man ausgleichen: Wenn man 1l der original Balling-Lösungen zudosiert mit 73,5 g Calciumchlorid-Dihydrat je Liter, 84 g Natriumhydrogencarbonat je Liter und 25 g NaCl-freiem Meersalz je Liter, dann beim nächsten Wasserwechsel je Liter dosierter Lösungen 41,5 g Meersalz weglassen oder 1,1 l Meerwasser aus dem Aquarium entnehmen und durch Umkehrosmose-Wasser ersetzen. Soweit die berechnete Theorie. Aufgrund von weiteren Salzausträgen wie z.B. durch Abschäumung kann die zu reduzierende Menge an Meersalz aber abweichen. Daher einfach regelmäßige Dichtemessungen durchführen und beim Wasserwechsel mit berücksichtigen. Hierzu z.B. einfach das Tool bzw. die App „Aqua Calculator“ benutzen. Generell wird man durch die Ballingsalze weniger Meersalz in den Wasserwechseln benutzen müssen.
So, ich hoffe, der Ausflug in die Balling-Chemie war nicht zu anstrengend. Damit schließe ich dieses „Profi-Tutorial“ mal und hoffe, dass die Aufrechterhaltung einer idealen Meerwasserchemie nun keine Schwierigkeit mehr für euch sein wird. Damit ist ein wesentlicher Baustein für die erfolgreiche Steinkorallenhaltung geschaffen! Next: „Easy-to-go SPS Aquarium“ – Besatzvorschläge für Einsteiger in die Pflege von kleinpolypigen Steinkorallen“.